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Stillstand in Sachen Klimaschutz an der COP23 in Bonn

Auch von der letztjährigen Klimakonferenz in Bonn waren in Sachen Klimaschutz keine Fortschritte zu erwarten. Während die dort anwesenden Staaten und Lobbyorganisationen in technokratische Diskussionen versanken, deuten die aktuellen Szenarien bereits auf eine globale Erwärmung von mindestens 3°C. Die Aufmerksamkeit der Linken sollte sich daher vielmehr auf das richten, was sich abseits des Kongresszentren abspielt. (Red.)

von Wolfgang Pomrehn, aus sozonline.de

Doch die Zeit drängt. Die globale Durchschnittstemperatur liegt bereits rund ein Grad Celsius über dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung, extreme Wetterereignisse beginnen sich zu häufen. Im Oktober nahm zum Beispiel mit «Ophelia» erstmals ein Hurrikan der Kategorie 3 Kurs auf das europäische Festland und bescherte Irland den heftigsten Orkan seit rund 50 Jahren. Da hatte er sich über dem relativ kalten Wasser allerdings schon abgeschwächt. Wäre er, wie zunächst befürchtet, bereits in Portugal auf Land gestoßen, wären die Verwüstungen noch wesentlich größer gewesen. Auch so war der Sturm für die iberische Halbinsel verheerend. An seiner Vorderseite sorgte er für trocken-heiße Winde, die in Portugal und Spanien zahlreiche Waldbrände anfachten. Mindestens 30 Menschen kostete dies das Leben.

Wie so oft bei verheerenden Naturkatastrophen – seien sie nun natürlichen Ursprungs oder Folge des Klimawandels – ergaben Extrembedingungen, mangelhafte Vorbereitung der staatlichen Institutionen und menschliche Unverantwortlichkeit mal wieder eine tödliche Mischung. In diesem Fall spielten neben den Winden Brandstiftung und ein schlecht vorbereiteter Katastrophenschutz eine Rolle. Die Deutsche Bahn hatte ihrerseits Anfang Oktober gezeigt, wie schon ein nicht ganz so ungewöhnlicher Orkan wie «Xavier» in Verbindung mit jahrzehntelang vernachlässigter Infrastruktur und zu dünner Personaldecke den Eisenbahnverkehr ganzer Regionen für Tage zum Erliegen bringen kann.

Wie schon im kleinen der Wille zur angemessenen Vorsorge fehlt, so ist sie auch im großen ein rares Gut. Dabei ist es nicht so, dass es am Klimawandel irgend einen ernsthaften Zweifel geben könnte. Die Mechanismen sind im Groben seit dem 19.Jahrhundert bekannt. Die ersten konkreteren Warnungen gab es in den 1960er Jahren, die ersten Stellungnahmen wissenschaftlicher Organisationen stammen aus den 1970er Jahren. Auch das von selbsternannten Skeptikern gern verwendete Argument, das Klima habe sich schon immer gewandelt, spricht letztlich nicht gegen, sondern eher für Vorsicht und Vorsorge. Gerade die Kenntnis über die Ursachen historischer und vor allem prähistorischer Klimaveränderungen und deren Verlauf gibt den Klimawissenschaftlern die Gewissheit über die Auswirkungen der Treibhausgase und die potenziell verheerenden Folgen. Die menschliche Zivilisation hat sich nämlich in den letzten zehntausend Jahren in einer ungewöhnlichen Phase klimatischer Stabilität entwickelt, dessen Rahmen zu verlassen wir uns derzeit mit aller Kraft bemühen, indem wir fleißig die fossile Energie verbrennen, die die Natur aus früheren Erdzeitaltern im Boden gespeichert hat.

Die notwendigen Gegenmaßnahmen sind fast eben so lange bekannt und seit inzwischen mehreren Jahrzehnten überfällig, doch die Interessen großer Konzerne stehen ihnen entgegen. In den USA laufen derzeit z.B. in verschiedenen Bundesstaaten Ermittlungen gegen den Ölkonzern Exxon. Interne Exxon-Papiere beweisen, dass der Konzern bereits seit den 80ern Jahren von den Gefahren des Klimawandels weiß und diese in seine Planungen einbezieht, andererseits aber etliche Millionen für Desinformationskampagnen ausgegeben hat, die Zweifel säen und eine Klimaschutzpolitik verhindern sollen.

Natürlich steht der Ölmulti damit nicht allein. Andere Unternehmen verfolgen eine ähnliche Politik, nicht nur in den USA. Hierzulande engagiert sich in diesem Sinn vor allem der Verband der Braunkohleindustrie und ein Teil der Springer-Presse. Andere Branchen halten sich in der Öffentlichkeit eher zurück und betreiben ihre Obstruktion im Verborgenen. Wie etwa die Automobilindustrie, die lange mit – nicht eingehaltenen – Selbstverpflichtungen lockte, die den Bundesregierungen als Argument galten, in Brüssel verbindliche Emissionsnormen hinauszuzögern. Als diese schließlich kamen, mogelte man die Verbrauchs- und Emissionswerte mit Betrugssoftware herunter.

Im Ergebnis wird Deutschland das einst von der Regierung Merkel/Gabriel 2007 gesetzte Ziel, seine Emissionen bis 2020 auf 60 Prozent des Niveaus von 1990 zu drücken, nicht erreichen. Trotz eines zügigen Ausbaus der Windenergie, der allerdings ab dem nächsten Jahr aufgrund des neuen Zwangs zur Ausschreibung stocken könnte, sind die Emissionen der Kohlekraftwerke kaum zurückgegangen. Der Grund: Billiger deutscher Kohlestrom wird in immer größeren Umfang exportiert und drückt zum Beispiel in den Niederlanden die weniger schädlichen Gaskraftwerke an die Wand. Die Emissionen des Autoverkehrs nehmen sogar wieder zu und und machen derzeit erneut fast ein Fünftel des Problems aus. Insgesamt befinden sich die deutschen Emissionen derzeit bei gut 72 Prozent des Niveaus von 1990 und weder die Unionsparteien noch die FDP – die schon gar nicht – lassen erkennen, dass sie zu den notwendigen einschneidenden Maßnahmen bereit wären.

So stehen uns denn mit der neuen Koalition weitere vier Jahre Stillstand bevor, während die Zeit immer knapper wird. Bis Mitte der 2030er Jahre müssen die deutschen Emissionen auf Null runtergefahren sein, soll noch eine Aussicht darauf bestehen, den Klimawandel auf unter 2 Grad Celsius zu beschränken. Das war in Paris als Ziel vereinbart worden, und eigentlich ist schon eine Erwärmung über 1,5 Grad Celsius zu riskant, insbesondere für künftige Bewohner von Küstenregionen.

Der Kampf für die Eindämmung des Klimawandels und für einen gerechten Umgang mit seinen Folgen, also für die entsprechenden Transferzahlungen u.a. aus Deutschland für den anderswo angerichtet Schaden ist zugleich auch einer gegen die Borniertheit und Gier der Neoliberalen, die den Hals nicht voll genug kriegen können und immer mehr gesellschaftlichen Reichtum nach oben umverteilen wollen; gegen jene, die noch in letzter Sekunde Geschäfte mit Öl, Kohle und Autos machen wollen; und gegen solche, die die öffentlichen Unternehmen und Kassen plündern, sodass die notwendige Vorsorge nicht getroffen werden kann.

Und es ist ein Kampf gegen den sich ausbreitenden Wohlstandsrassismus, der sich an den tödlichen Grenzen der EU und im Wahlerfolg der AfD manifestiert, einer Partei, die neben militantem Rassismus und Aufrüstung auch die Verteidigung von Kohlekraftwerken und Diesel-Pkw, die Verlängerung der AKW-Laufzeiten und die Leugnung der Luftverschmutzung durch Stickoxide und des Klimawandels zum Programm erhoben hat.